Samstag, 11. Juni 2016

FB-Nutzer werden kontrolliert, zensiert und Beiträge gelöscht!

Aber wenn es darum geht, mit Hetz-Parolen Geld zu verdienen, dann ist FB mit dabei und kassiert eifrig ab!


FOCUS-Artikel von Thomas Moßburger vom 10. Juni 2016


Wer bei Facebook durch seinen Newsfeed scrollt, bekommt Werbung für allerhand Produkte zu sehen. Würde dies bei albernen Geburtsjahr-Pullovern enden, wäre es wohl halb so wild. Immer wieder wird aber auch Hetze serviert, oft gegen Flüchtlinge. Warum? Eine Nachfrage bei Facebook.

Facebook ist eigentlich wie das echte Leben. Da gibt es alles: Spannendes und Langweiliges. Trauriges und Fröhliches.Liebe und Hass. Gerade mit Letzterem hat Facebook jedoch in jüngster Zeit erhebliche Probleme. Der Hass, vor allem gegen Flüchtlinge, nahm im Netzwerk so überhand, dass Kanzlerin Angela Merkel gar auf einer Konferenz Facebook-Chef Mark Zuckerberg zur Seite nahm und ihn auf das Problem ansprach. Seitdem gab es mehrere Initiativen, um den Hass einzudämmen.

Will Facebook so Geld verdienen?


Der Grat zwischen Meinungsfreiheit und Volksverhetzung ist schmal. Insofern ist nachvollziehbar, dass Hasskommentare und -postings nicht allzu leicht aus der Welt zu schaffen sind. Einfacher sollte dies eigentlich bei Werbung sein. Ein Recht auf freie Meinungs-Promotion gibt es schließlich nicht. Facebook kann also problemlos selbst entscheiden, für was es Geld nehmen möchte und was es lieber ablehnt.

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Screenshot: Facebook

Reichskriegsflagge, Sturmgewehre, Warnungen: Meinung oder Gewaltandrohung?
Und doch: Wer durch Facebook scrollt, sieht immer wieder beworbene Beiträge, in denen teils geschmacklosester Hass, gerade gegen Flüchtlinge, verbreitet und als Fanartikel-Aufdruck verwendet wird. Nur einige Beispiele aus dem Newsfeed während der vergangenen Facebook-Woche des Autors: „Rapefugees not Welcome“, „Ich bin der Ungläubige vor dem Allah dich gewarnt hat“, „Frankreichfeldzug 2016“. Letzteres bezieht sich inklusive Wehrmachtsymbolik auf die anstehende Europameisterschaft bei unseren Nachbarn.


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Screenshot: Facebook

Auch ein Shop mit dem vielsagenden Namen „Label 33“ darf bei Facebook werben, wie beispielsweise das obige Foto zeigt. Das relativ harmlose „Asylkritiker-Shirt“ ist jedoch nur ein Beispiel. Wer auf die Facebook-Seite des „Labels“ mit verfremdeten Hakenkreuz als Logo klickt, kann dort auch Textilien erwerben, auf denen „Frontkämpfer für das Reich“ steht, inklusive Reichsadler über verfremdetem Hakenkreuz oder ein Shirt mit Aufdruck „Reiseführer Obersalzberg“ sowie eine „Deutsches Reich - Von der Maas bis an die Memel“-Jogginghose, um nur einige zu nennen.

Hass auf den Islam, dumpfe Verallgemeinerungen, traurige Geschichtsvergessenheit. Von der Meinungsfreiheit gedeckt mögen solche Sprüche ja teils sogar noch sein. Die Frage ist: Will Facebook wirklich Geld mit Werbung für solches Hass-Merchandise verdienen?

Das sagen die Richtlinien


Facebook weist das gegenüber FOCUS Online zurück und auf seine Werberichtlinienhin. Dort ist zu lesen: „Werbeinhalte dürfen weder Hass noch die Absicht zur Gewalt gegen eine Privatperson oder Gruppe zum Ausdruck bringen, vor allem im Zusammenhang mit Rasse, Geschlecht, Glauben, nationaler Herkunft, religiöser Zugehörigkeit, Familienstand, sexueller Ausrichtung, geschlechtlicher Identität oder Sprache der betreffenden Person oder Gruppe. Wir unterstützen die Freiheit der politischen Meinung, doch wir tolerieren nicht die Verwendung abfälliger Sprache zu politischen Zwecken, weil dies zu negativem Feedback von Personen führt.“

Insgesamt sind die Werbevorschriften bei Facebook recht spezifisch. So sind beispielsweise Vorher/Nachher-Bilder für Gesundheitsprodukte und bestimmte Bildzuschnitte nicht erlaubt, genauso wie Werbung für Waffen oder Zigaretten. Kontrolliert wird das Ganze auch, wie Facebook gegenüber FOCUS Online erklärt.

Wie kommt die Hetze durch?


Algorithmen treffen demnach eine Vorsortierung gemäß den Richtlinien, erkennen beispielsweise die von Facebook berüchtigterweise verhassten Brustwarzen. Doch ein Mensch prüft jede Anzeige, bevor sie erscheint. Wird eine solche Kampagne nicht freigeschaltet oder abgebrochen, verdient Facebook damit auch kein Geld. Offenbar gehen aber ja einige zumindest zweifelhafte Werbebotschaften trotz Kontrolle auf die Seite und bringen Facebook so auch Umsätze ein - solange niemand sie meldet.

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Screenshot: Facebook

Wenn Angriffskriege zu Witz-T-Shirts werden! Doch warum kommen überhaupt immer wieder Werbe-Posts durch die Kontrolle, die Worte wie „Rapefugees“ enthalten? Ist eine solche Verallgemeinerung, inklusive der Verballhornung des „Refugees welcome“-Logos, etwa kein Hass gegen eine Gruppe oder abfällige Sprache zu politischen Zwecken?*

Der Mensch ist das Problem


Bei Facebook kann man hier gegenüber FOCUS Online nur auf menschliches Versagen verweisen. Es sind also offenbar Posts, die den Prüfern durchgegangen sind. Und sicherlich muss die letzte Instanz auch hier am Ende die schwierige Abwägung zwischen Hetze und Meinung treffen. Andererseits funktioniert dies bei anderen Unternehmen wie Zeitungen und TV-Sendern ja auch. Wie läuft das dort? Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) weist daraufhin, dass Werbung in Deutschland grundsätzlich natürlich keiner gesetzlichen Zensur unterliege. Allerdings gibt es selbstverständlich Vorgaben, wie das Verbot der Zigarettenwerbung im Fernsehen.

Passt das zu Zuckerbergs Ansprüchen?


"Was wo gezeigt oder gedruckt wird, entscheidet letztlich das Unternehmen, das die Werbung veröffentlicht. Die Vertragsfreiheit erlaubt den Medien, selbst zu entscheiden, was sie schalten möchten und was nicht", so Anne Grote vom ZAW. "Im Internet ist das jedoch aufgrund der Menge an Werbeschaltungen teils schwerer rechtzeitig kontrollierbar."

Auch wenn letzterer Gedanke sicher berechtigt ist: Sollte ein Unternehmen mit der Größe, der Relevanz und dem Kapital von Facebook nicht in der Lage sein zu checken, ob es da gerade mit Hetze und Hass Geld verdient – und auch abwägen können, ob es mit „Frankreichfeldzug“-T-Shirts wirklich Geld verdienen will?

Sicherlich ist eine Anspielung auf den Zweiten Weltkrieg schwerer zu erkennen als eine Brustwarze. Eine Ausrede ist das nun aber nicht -vor allem wenn Mark Zuckerberg seine Reden über Offenheit, Menschlichkeit und Toleranz ernst meint.
*das Foto mit dem "Rapefugees Welcome"-T-Shirt wurde nach einem entsprechenden Melden durch einen User von Facebook gelöscht. Es ist jedoch weiterhin auf einem anderen Post der gleichen Seite sichtbar. 

Im Video: Wieviel Euro Hetze im Internet kostet


FOCUS Online/WochitHetze im Internet: Dieser Hasskommentar kostet 5000 Euro
 

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